Neurose

Neurose
seelische Störung

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Neu|ro|se [nɔy̮'ro:zə], die; -, -n:
Krankheit, die auf psychischen Störungen beruht:
eine schwere, leichte Neurose; eine Neurose behandeln.
Zus.: Angstneurose, Zwangsneurose.

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Neu|ro|se 〈f. 19; Psych.〉 anlage- u. umweltbedingte Neigung, seel. Erlebnisse abnorm u. krankhaft zu verarbeiten, was zu einem dauernden körperl. u. seel. Leidenszustand der Gesamtpersönlichkeit führt [zu grch. neuron „Sehne, Nerv“]

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Neu|ro|se , die; -, -n [engl. neuroses (Pl.; im Sg. neurosis), 1776 geb. von dem schott. Arzt W. Cullen (1710–1790) zur Bez. aller nicht entzündlichen Nervenkrankheiten, zu griech. neũron = Nerv] (Med., Psychol.):
hauptsächlich durch unverarbeitete Erlebnisse entstandene psychische Störung, die sich auch in körperlichen Funktionsstörungen äußern kann:
eine leichte N.;
eine N. behandeln;
-n haben.

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Neurose
 
[zu griechisch neũro »Nerv«] die, -/-n, Sammelbegriff für eine Vielzahl von psychischen Störungen mit unterschiedlichen Erscheinungsformen und Ursachen, von verschiedenen psychologischen Richtungen (v. a. Psychoanalyse, Lerntheorien) uneinheitlich festgelegt.
 
Allgemein versteht man unter Neurose störende, länger andauernde psychische Einstellungen oder Verhaltensgewohnheiten (z. B. Angst, Furcht, Unsicherheit, Depression) ohne nachweisbare organische Ursache, die im Verlauf der menschlichen Entwicklung durch bestimmte Erfahrungen (länger anhaltende Lernprozesse oder einschneidende Erlebnisse) entstehen, den Betroffenen (Neurotikern) unverständlich bleiben und von ihnen nicht ausreichend kontrolliert werden können. Die Betroffenen haben jedoch (anders als bei einer Psychose) ein (zumindest vages) Bewusstsein von ihrer Störung; ein Zerfall psychischer Funktionen (etwa des Wahrnehmens oder Denkens) tritt nicht auf.
 
Erstmals wurde der Begriff Neurose von W. Cullen gebraucht zur Bezeichnung aller nichtentzündlichen Nervenkrankheiten im weitesten Sinn, also auch organisch bedingter Krankheiten, z. B. Epilepsie. Erst durch S. Freud wurde der Begriff so bestimmt, wie er gültig ist. Danach handelt es sich bei der Neurose um eine seelisch bedingte Störung, die zurückgeht auf meist unbewusste, in der Kindheitsentwicklung verwurzelte innere Konflikte zwischen verschiedenen Anteilen der Persönlichkeit. Kindliche Triebwünsche können wegen starker, mit Bedrohung verbundener Widerstände (Ich, Über-Ich) nicht ausgelebt werden, sondern werden durch andere Persönlichkeitsanteile abgewehrt und ins Unbewusste verdrängt (Abwehrmechanismen). Lerntheoretisch beruhen neurotische Symptome auf erlernten (Fehl-)Gewohnheiten, die in krank machender Weise (z. B. bei Phobien durch Vermeidung) verstärkt und unterhalten werden.
 
Die auf Freud zurückgehende Einteilung der Neurose in Aktualneurose und Psychoneurose hat sich nicht durchgesetzt. Heute unterscheidet man in der Regel nur die Organneurosen beziehungsweise psychosomatische Störungen (Psychosomatik) mit ihren körperlichen Symptomen von den Psychoneurosen, die bestimmte auffällige Leidenszeichen aufweisen, sich jedoch auch lediglich in unbestimmten charakterlichen Veränderungen (z. B. Hemmungen, Kontaktstörungen, Selbstunsicherheit, depressive Verstimmung) bemerkbar machen können. - Die Abgrenzungen sind allerdings schwierig und umstritten. Einzelne Neurosen werden auch nach ihren Ursachen benannt, z. B. iatrogene Neurose (auf unsachgemäße ärztliche Behandlung zurückgehend) oder soziale Neurose (durch außerfamiliäre, gesellschaftliche Einflüsse bewirkt).
 
Die Behandlung von Neurosen im Sinn der analytischen Psychotherapie zielt auf die Erkennung und Bewusstmachung der Ursachen; in Einzel- oder Gruppensitzungen sollen die Kranken mithilfe von Traumanalysen und freien Assoziationen (auch Hypnose, autogenes Training und Psychopharmaka) befähigt werden, ihre Konflikte zu verstehen und zu überwinden. Die verhaltenstherapeutischen Richtungen dagegen stellen die Gestaltung von Lernprozessen (z. B. durch systematische Desensibilisierung, operante Konditionierung, negative Übung, Reizüberflutung), durch die Hemmungen abgebaut, inadäquate Befürchtungen beseitigt und Fehlreaktionen vermieden werden sollen, in den Mittelpunkt. Bei starker Angstsymptomatik werden unterstützend Psychopharmaka angewendet. (Verhaltenstherapie)
 
 
H. J. Eysenck: N. ist heilbar (a. d. Engl., Neuausg. 1980);
 P. C. Kuiper: Die seel. Krankheiten des Menschen (a. d. Niederländ., 71992);
 V. E. Frankl: Theorie u. Therapie der N.n (71993);
 W. Bräutigam: Reaktionen, N.n, abnorme Persönlichkeiten (61994);
 S. O. Hoffmann u. G. Hochapfel: Neurosenlehre, psychotherapeut. u. psychosomat. Medizin (51995);
 
Verhaltenstherapie, hg. v. M. Linden u. M. Hautzinger (31996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
seelische Krankheiten: Neurosen
 

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Neu|ro|se, die; -, -n [engl. neuroses (Pl.; im Sg. neurosis), 1776 geb. von dem schott. Arzt W. Cullen (1710-1790) zur Bez. aller nicht entzündlichen Nervenkrankheiten, zu griech. neũron = Nerv] (Med., Psych.): hauptsächlich durch unverarbeitete Erlebnisse entstandene psychische Störung, die sich auch in körperlichen Funktionsstörungen äußern kann: eine leichte, schwere N.; Die Grundthese lautet, die französische Intelligenz habe ... wegen der verdrängten Schuld eine kollektive N. entwickelt (Zeit 16. 12. 98, 52); eine N. behandeln; Nanu, dachte ich, eine neue N.? Wo die doch seit 20 Jahren alle aus den Diagnosehandbüchern der Psychiatrie verschwinden? (Zeit 7. 1. 99, 2); -n haben; Um diesen Preis ... gelingt es der Religion, vielen Menschen die individuellen -n zu ersparen (Freud, Unbehagen 117).

Universal-Lexikon. 2012.

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